Der Schülerhaushalt ist ein Beteiligungsverfahren, bei dem alle Kinder und Jugendlichen einer Kommune in einem für sie relevanten Bereich mitbestimmen und einen demokratischen Prozess erleben.
Das Verfahren ist so aufgesetzt, dass es kaum Kosten und Aufwand erzeugt wodurch die eingesetzten Mittel fast ausschließlich in die Maßnahmen der Schüler fließen. Konzept, Materialien und Online-Plattform wurden von der Bertelmann Stiftung entwickelt und werden Kommunen und Schulen kostenfrei zur Verfügung gestellt.
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Ablauf/Eckpunkte
Die Durchführung eines Schülerhaushalts dauert zwei bis vier Wochen. Zusätzlich muss etwas Zeit für die Vorbereitung (insbesondere die Entscheidungsfindung zu Budgets) und die Ausarbeitung und Umsetzung der Schülervorschläge einkalkuliert werden. Der Schülerhaushalt verläuft in fünf Phasen:
1. Auftaktveranstaltung
Je nach Möglichkeiten und Rahmenbedingungen der Schule werden entweder alle Schüler oder alle Klassensprecher, Schülervertreter und Lehrer zu einer Auftaktveranstaltung eingeladen. Auf dieser Veranstaltung werden die Schüler über den Ablauf des Schülerhaushalts informiert, erhalten weitere Materialien und bestimmen Koordinatoren, die den Prozess begleiten. Die Auftaktveranstaltung stellt dabei zugleich den Start der Vorschlagsphase dar.
2. Vorschlagsphase
In den folgenden ein- bis zwei Wochen können alle Schüler Vorschläge machen und über ein Formular bei den Koordinatoren einreichen. Um angenommen zu werden, muss ein Vorschlag von mindestens fünf weiteren Schülern unterstützt werden. Die Schülerkoordinatoren bündeln anschließend identische Vorschläge, geben sie auf einer Internetplattform ein und hängen sie aus.
3. Diskussionsphase
Die auf der Internetplattform eingestellten Vorschläge werden von der Verwaltung auf Machbarkeit und Kosten geprüft und entsprechend kommentiert. Die Schüler haben anschließend eine bis zwei Woche Zeit, für ihre eigenen Ideen zu werben und sich eine Meinung zu den verschiedenen Ideen zu bilden.
4. Abstimmung
Nach Ablauf der Vorschlagsphase erfolgt eine Abstimmung durch alle Schüler. Jeder Schüler hat dabei drei Stimmen, die er an drei unterschiedliche Projekte vergeben kann. Die Wahl selbst erfolgt anonym und geheim durch Wahlzettel und Wahlurnen. Anhand der Wahlergebnisse wird eine Prioritätenliste erstellt.
5. Ausarbeitung
Die priorisierten Vorschläge werden in dieser Phase von den Schülern in Zusammenarbeit mit der Verwaltung ausgearbeitet, so dass daraus ein klares Maßnahmenpaket entsteht. Dabei werden alle Vorschläge berücksichtigt, die sich mit dem Budget umsetzen lassen oder für die eventuell zusätzliche oder andere Mittel eingeholt werden können.
6. Umsetzung
Die Maßnahmen werden durch die Schüler im Rat vorgestellt und anschließend durch die Verwaltung in Auftrag gegeben. Die Schüler werden dabei in die Umsetzung eingebunden.
Ziel/Wirkung
Der Schülerhaushalt eignet sich sehr gut, Schüler an demokratische Prozesse durch eigenes Erleben heranzuführen, sie durch Wertschätzung zu motivieren und ihre Bedarfe in den Mittelpunkt zu stellen. Er kann an sämtlichen Schultypen durchgeführt und ist sowohl in kleinen wie auch in sehr großen Schulen umsetzbar.
Über klassische Schulen hinaus ist es auch denkbar, dass das Konzept des Schülerhaushalts in anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen (wie Vereinen, Jugendhäusern etc.) zum Einsatz kommt. Der Schülerhaushalt ist zudem als erste Stufe einer umfassenden Kinder- und Jugendbeteiligung anzusehen, an der weitere Beteiligungsverfahren an kommunalen Belangen anschließen können – wie das Vorbild aus Recife zeigt.
Kosten/Aufwand
Der Schülerhaushalt wird im Kern von drei Gruppen umgesetzt und organisiert:
- MitarbeiterInnen der Verwaltung
- Schüler(koordinatoren)
- Betreuungslehrer
Der Aufwand verteilt sich auf alle drei Gruppen in etwa gleichen Teilen und beläuft sich auf ca. 30 bis 50 Stunden insgesamt.
Kosten entstehen nur in Form von Papier- und Kopierkosten für Vorschlagsformulare, Plakate und Flyer sowie Wahlzettel und belaufen sich auf unter 300 Euro. Hinzu kommt das veranschlagte Budget.
Sinnvoll einzusetzen, wenn
- Kinder und Jugendliche auch über den Kreis der bereits engagierten hinaus, an politischen Entscheidungen teilhaben und zu politischer Beteiligung motiviert werden sollen,
- demokratisches Handeln erlernt werden soll,
- die Bedürfnisse der Schüler ermittelt werden sollen,
- die Verbundenheit mit der Schule durch Mitverantwortung über ihre Ausgestaltung gestärkt werden soll,
- eine Brücke zwischen Politik, Verwaltung und Jugendlichen hergestellt werden soll.
Nicht sinnvoll einzusetzen, wenn
- kein Budget (auch nicht durch Drittmittel) zur Verfügung gestellt werden kann
Stärken
Der Schülerhaushalt:
- erreicht alle Kinder und Jugendlichen – und nicht nur die eh schon engagierten,
- erzeugt keine Kosten für die Teilnehmergewinnung, Raummiete, Anreisen, Moderation oder Technik und ist dadurch sehr kostengünstig umsetzbar,
- bietet eine vor allem für die Kinder und Jugendlichen selbst relevante Möglichkeit der Mitbestimmung,
- legt die Entscheidung direkt in die Hände der Schüler,
- wird größtenteils von den Kindern und Jugendlichen selbst gesteuert
- bindet die Kinder und Jugendlichen in alle Elemente ein, von der Prozessgestaltung bin hin zur Umsetzung der Ergebnisse,
- verbindet Elemente der Selbstbestimmung mit Kooperation und Lernprozessen im Sinne eines Lernens durch Erleben.
Schwächen
- stellt nur eine punktuelle Beteiligung (wenn auch wiederholt) dar und ist für weitergehendes Engagement auf Anschlussformate ausgelegt,
- kann zu Vorschlägen führen, die sich schwer umsetzen lassen oder aus Sicht der Erwachsenen unangemessen sind.
Ursprung
Die Idee für den Schülerhaushalt stammt aus der brasilianischen Stadt Recife, wo das Verfahren seit 2001 an allen öffentlichen Schulen durchführt. Fast 90.000 Schüler zwischen fünf und 15 Jahren, machten dabei Projektvorschläge für Maßnahmen in ihrer Schule, stimmen darüber ab, was durchgeführt werden soll und begleiten die Umsetzung. Die Stadt Recife wurde unter anderem hierfür 2011 mit dem Reinhard Mohn Preis "Demokratie vitalisieren - politische Teilhabe stärken" ausgezeichnet.
2012 wurde das Verfahren erstmals an fünf Schulen in Deutschland erprobt und durchgeführt. Die Schüler entschieden dabei über die Verwendung eines zuvor durch den Rat und die Schulleitungen festgelegten (Sockel-)Betrags von jeweils 7.000 Euro, der sich aus kommunalen Haushaltsmitteln und freiem Schulbudget zusammensetzte
Kontakt
Projektteam SchülerHaushalt, Servicestelle Jugendbeteiligung e.V., 030 3087845-24, sh@jugendbeteiligung.info