Konsensorietierten Abstimmungsverfahren ermitteln, welche Alternativen bei allen Beteiligten Zustimmung erhalten bzw. von allen am ehesten akzeptiert werden. Im Gegensatz zu reinen Mehrheitsabstimmungen wird strategisches Wahlverhalten minimiert und die für alle Beteiligten gemeinsam tragbarsten Varianten ins Zentrum gerückt - welche nicht immer auch der bevorzugten Variante der Mehrheit entsprechen müssen.
Ablauf/Eckpunkte
Es gibt verschiedene Variante, eine konsensorientierte Abstimmung durchzuführen. Sie kann dabei sowohl für Veranstaltungen als auch für schriftliche oder online Abstimmungen verwendet werden.
Approval Voting: Die einfachste Möglichkeit ist das Approval Voting (in etwa: Wahl durch Zustimmung bzw. Akzeptanz). Bei diesem Verfahren sollen die Teilnehmer einfach alle Vorschläge benennen bzw. all jenen eine Stimme geben, die sie akzeptieren bzw. denen Sie zustimmen können. Sie können dabei auch keinem oder allen Vorschlägen ihre Stimme geben. Am Ende wird dann eine Rangliste nach Anzahl der Zustimmungen erstellt. Sollten am Ende mehrere Alternativen im Ergebnis nah beieinander stehen, ist es sinnvoll, zwischen diesen eine Präferenzabstimmung durchzuführen.
Präferenzabstimmung: Bei einer Präferenzabstimmung sollen die Teilnehmer die Alternativen in eine Rangfolge bringen. Sie müssen dabei nicht die komplette Rangfolge ausfüllen sondern nur so viele Alternativen, wie sie möchten, also beispielsweise nur die ersten 3 von 8 benennen, wenn Sie dies möchten. Die Auszählung kann dann beispielsweise nach dem (modifizierten) Borda-System erfolgen, bei dem der an erste Stelle gewählte so viele Punkte erhält, wie Alternativen vom Wähler angekreuzt wurden (also im Beispiel 3 Punkte), der zweitplatzierte entsprechen einen Punkt weniger. Am Ende werden dann wieder alle Punkte zusammengezählt.
EIne Konsensabstimmung kann sehr gut auch am Anfang oder in der MItte einer Diskussion durchgeführt werden, da sie aufzeigt, bei welchen Alternativen sich am ehesten ein Konsens finden lässt, um diese weiter zu diskutieren und auszuarbeiten.
Ziel/Wirkung
Das Verfahren eignet sich für jegliche Abstimmungen innerhalb einer Organisation oder auf lokaler oder nationaler Ebene. Konsensorientierte Abstimmungen können dabei nicht nur für die Entscheidungsfindung am Ende, sondern insbesondere auch als Ausgangspunkt für eine Diskussion genutzt werden.
Hinweise zur Umsetzung
Das Verfahren ist vorher allen Teilnehmern klar zu erläutern und es sollte sichergestellt werden, dass alle dies verstanden haben, da konsensorientierte Abstimmungen nicht die Regel sind.
Sinnvoll einzusetzen, wenn
- nicht Mehrheitsentscheidungen sondern Konsens (der kleinste gemeinsame Nenner) ermittelt werden soll,
- strategisches Wählen vermieden werden soll,
- alle Vorschläge eine "Wertschätzung" erfahren sollen,
- am Anfang ermittelt werden soll, wo Konsens besteht, welche Alternativen allgemein nur wenig Zustimmung erhalten und welche weiterhin zur Debatte stehen sollten.
Nicht sinnvoll einzusetzen, wenn
- festgefahrene Sichtweisen aufgelöst werden sollen,
- die Hervorhebung von Unterschieden im Mittelpunkt steht
- klare Mehrheiten benötigt werden
Stärken
- alle Teilnehmer des Konsensprozesses haben einen gleichwertigen Anteil an der Entscheidungsfindung
- es finden sich mehr Menschen im Ergebnis wieder als bei reinen Mehrheitswahlen
- ermöglicht "zweitbeste" aber von mehr Menschen getragene Alternativen zu identifizieren (im Gegensatz zu Mehrheitswahlen)
- minimiert strategisches Wählen (z. B. Wahl einer anderen als der am eigentlich präferierten Alternative, damit diese auch Stimmen erhalten)
Schwächen
- kann zu einer Patt-Situation zwischen Alternativen führen
- kann zu einem Abilene-Paradox führen: eine Gruppe entscheidet sich kollektiv für eine Handlung, die den Präferenzen der einzelnen Gruppenmitglieder widerspricht, weil keiner der einzelnen Teilnehmer sich gegen den wahrgenommenen Willen der Gesamtgruppe stellen möchte
- die Tatsache, dass die Präferenzen aller Teilnehmer berücksichtigt werden, kann einen Vorteil für eine Minderheit bedeuten, die den Status Quo bewahren will, auch wenn eine Mehrheit dagegen ist
Ursprung
Im 18. Jahrhundert diskutierte die französische Académie des Sciences Alternativen zu dem damaligen monarchischen Herrschaftssystem. Hierzu schlugen der Maquis de Condorcet und Jean-Charles de Borda zwei Wahlmethoden vor, die beide auf der Erstellung einer Rangfolge basierten und dem heutigen Konsensprinzip ähnelten.
In den 1950er Jahren erhielt das Konsensverfahren durch das Aufkommen der Sozialwahltheorie erneute Aufmerksamkeit. Daraus entstanden schließlich die verschiedenen Abstimmungs- und Wahlmethoden nach dem Konsensprinzip, die es heutzutage gibt.