Das 21st Century Town Meeting ist eine technisch unterstützte Form der Bürgerversammlung, an der eine sehr große Anzahl von Bürgern - auch gleichzeitig an verschiedenen Standorten - teilnehmen kann. Das Verfahren verbindet dabei die Vorteile intensiver Diskussion in Kleingruppen mit der kollektiven Abstimmung einer Großgruppe. Es findet zudem in der Regel an nur einem einzigen Tag statt, so dass eine hohe Aufmerksamkeit erzielt werden kann.
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Ablauf/Eckpunkte
Das Verfahren gliedert sich in vier Phasen:
Phase I: Rekrutierungsphase/Prozessvorbereitung
Die Teilnehmer werden vorab nach dem Zufallsprinzip anhand sozio-demographischer Kriterien ausgewählt, um einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung zu erhalten.
Phase II: Vorbereitung der Teilnehmer
Die per Zufall ausgewählten Teilnehmer erhalten anschließend vor dem Diskussionstag Informationsmaterialien per Post oder auf elektronischem Weg, um sich in das Thema einarbeiten zu können.
Phase III: Diskussion und Abstimmung der Teilnehmer
Der Kern des Verfahrens ist die Bürgerversammlung. Alle Teilnehmer kommen dabei an einem oder an mehreren Orten zusammen. Wenn die Versammlung an mehreren Orten stattfindet, wird eine Übertragung der Zwischen- und Endergebnisse der jeweils anderen Veranstaltungen per Internet oder direkt per Satellitenübertragung durchgeführt. Die Teilnehmer werden auf Tische zu je 10 bis 12 Teilnehmern verteilt und diskutieren die durch den Organisator vorbereiteten Themen/Fragen unter der Leitung eines unabhängigen Moderators. Die Moderatoren sammeln die Ergebnisse und geben sie über Tischcomputer in ein vernetztes Computersystem ein. Ein zentrales „Theme Team“ sammelt die Informationen aller Diskussionsgruppen und stellt die Zusammenfassungen der Ergebnisse allen Teilnehmern zur Kommentierung und Abstimmung zur Verfügung. Jeder Teilnehmer kann über ein elektronisches Keypad individuell über die Themen und Fragen abstimmen. Die Abstimmungsergebnisse werden unmittelbar auf einem großen Bildschirm angezeigt, so dass die Teilnehmer ein sofortiges Feedback erhalten.
Phase IV: Dokumentation der Ergebnisse
Die politischen Entscheidungsträger sowie alle Teilnehmer erhalten im Nachgang einen Bericht, der eine Prioritätenliste enhält.
Ziel/Wirkung
Ziel des 21th Century Town Hall Meetings ist es, inhaltlich gehaltvolle und zugleich von einer breiten Bevölkerungsschicht geteilte Vorschläge in kurzer Zeit zu entwickeln. Das Verfahren zielt dabei auch darauf ab, eine hohe Aufmerksamkeit bei der Öffentlichkeit und der Politik durch die Kombination aus intensiver Diskussion, breiter Abstimmung und kurzem Zeitraum zu erlangen und so ein Thema auf die politische Agenda zu setzen oder einem öffentlich relevanten Thema eine neue Richtung hinzuzufügen.
Hinweise zur Umsetzung
Generell kann jeder an einem 21st Century Town Meeting teilnehmen, wobei es in vielen Fällen nötig ist, sich gezielt an schwer erreichbare Bevölkerungsgruppen zu wenden, um zu gewährleisten, dass die Teilnehmerauswahl repräsentativ ist. Das zentrale Merkmal der Bürgerversammlung ist die hohe Teilnehmerzahl, die es trotzdem ermöglicht, eine intensive Diskussion mit einem Abstimmungsverfahren zu kombinieren.
Kosten/Aufwand
Kostenintensiv:
- Laptops, Keypads und andere Technik muss bereitgestellt werden
- hohe Teilnehmerzahl
- jeder Tisch muss über einen Moderator verfügen
Zeit- und arbeitsintensiv:
- hoher Planungsaufwand wegen der großen Teilnehmerzahl und der Fülle an Informationen, die verarbeitet werden müssen
- Abstimmung mit Medienvertretern und Entscheidungsträgern
Aufwand Teilnehmer
Der Zeitaufwand für die Teilnehmer beläuft sich auf zwei bis drei Tage inkl. Vorbereitung.
Sinnvoll einzusetzen, wenn
- viele Bürger diskursiv an Entscheidungen und Planungen beteiligt werden sollen
- hohe politische und mediale Aufmerksamkeit angestrebt wird
- das nötige Budget und die Kapazitäten zur Verfügung stehen
Nicht sinnvoll einzusetzen, wenn
- das Thema nicht dringend genug ist, um sich direkt auf reale und aktuelle Entscheidungsverfahren auszuwirken
- der Initiator keine Glaubwürdigkeit bei Bürgern und Entscheidungsträgern besitzt
- keine heterogene Teilnehmergruppe einbezogen werden kann, zu der auch marginalisierte Gruppen gehören
- Themen zu komplex sind, um sich mit ihnen an nur einem Tag auseinanderzusetzen
- die notwendigen Ressourcen nicht bereitgestellt werden können
- starke Konflikte zwischen den Teilnehmern oder zwischen Teilnehmern und den Organisatoren zum Thema bestehen
Stärken
- kombiniert intensive Diskussion und groß angelegtes Abstimmungsverfahren
- ermittelt klare und abgestimmte Mehrheitenempfehlungen
Schwächen
- kostenintensiv
- kann unrealistische Erwartungen auf Seiten der Teilnehmer erzeugen
- von Technik abhängig
Ursprung
Das Verfahren wurde 1997 von der US-amerikanischen Organisation AmericaSpeaks entwickelt. Es ist vor allem in den USA verbreitet, wird aber auch in australischen und britischen Städten und Gemeinden eingesetzt.
Nutzungsrechte
"21st Century Town Meeting" ist eine Marke von AmericaSpeaks, einer Nonprofit-Organisation in den USA.