Das Bundesumweltministerium hat ein umfangreiches Beteiligungsverfahren zum Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung durchgeführt. Das informelle Verfahren umfasste die Beteiligung von Bürger*innen sowie traditioneller Stakeholder und fand vor der Erstellung des Hausentwurfes und der folgenden Ressortabstimmungen zum Kabinettsbeschluss statt. Die Bertelsmann Stiftung und die Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben das Pilotprojekt begleitend evaluiert.
Ort
Dauer
Hintergrund
Im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2013 wurde festgelegt, dass im Umfeld der Pariser Klimaschutzkonferenz 2015 ein nationaler Klimaschutzplan mit breiter Beteiligung erstellt werden sollte. Initiiert wurde der Prozess durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB).
Ziel
Durch die Einbindung der Bevölkerung sollten alltagsnahe Klimaschutzmaßnahmen entwickelt, aber auch Öffentlichkeit und erhöhte Akzeptanz der politischen Entscheidungen geschaffen sowie Multiplikatorwirkung erzielt werden. Der vermehrte Einsatz innovativer Bürgerbeteiligungsformate ist zugleich eine Möglichkeit, wertvolle Erfahrungen der Bevölkerung bei der Politikgestaltung einzubeziehen.
Prozess
Ein umfänglicher, mehrstufiger Dialog- und Beteiligungsprozess flankierte die Erarbeitung des Klimaschutzplans 2050. Die erste Säule umfasste dabei mit Ländern, Kommunen und Verbänden klassische Interessengruppen. Innovativ war die zweite Säule: Auch die Bürger*innen sollten direkt beteiligt werden. Zunächst liefen die Beteiligungsprozesse in beiden Säulen unabhängig voneinander, wurden dann aber im Prozess zunehmend verzahnt.
Kern der Bürgerbeteiligung war vor allem der „Tag des Bürgerdialogs“, der am 14. November 2015 an fünf Orten in Deutschland gleichzeitig stattfand: in Essen, Frankfurt, Hamburg, Leipzig und Nürnberg. Insgesamt nahmen 472 zufällig ausgewählte Bürger*innen teil. Der Tag des Bürgerdialogs bot ihnen die Möglichkeit, sich vor Ort zu informieren, direkt miteinander zu diskutieren und gemeinsam Maßnahmenvorschläge zu entwickeln. Insgesamt entwickelten die Bürger*innen an diesem Tag 77 Maßnahmen, die entlang von fünf Themenbereichen strukturiert waren: Verkehr, Landwirtschaft/Landnutzung, Industrie-Gewerbe-Handel und Dienstleistungen, Gebäude und Energiewirtschaft.
Diese 77 Maßnahmen wurden im nächsten Schritt auf einer Online-Plattform bereitgestellt. Die Plattform diente zur Diskussion des zuvor erstellten Maßnahmenbündels. Diese erste Online-Phase stand allen Bürger*innen im Zeitraum zwischen dem 24. November 2015 und dem 21. Dezember 2015 offen.
Um sicherzustellen, dass die Perspektiven der Bürger*innen auch im weiteren Beteiligungsprozess Berücksichtigung fanden, wählten die Teilnehmenden am Tag des Bürgerdialogs pro Veranstaltungsort jeweils zwei Bürgerdelegierte. Ebenso wurden zwei Bürgerdelegierte aus den Nutzern der Online-Plattform rekrutiert. Diese Bürgerdelegierten nahmen an den Treffen des Delegiertengremiums teil, in dem neben den Bürgerdelegierten auch Vertreter aus Ländern, Kommunen und Verbänden saßen.
Das erste Treffen des Delegiertengremiums fand nach der ersten Online-Phase statt. Produkt dieses Treffens war ein „Maßnahmenset“ von insgesamt 97 Maßnahmen, das die Vorschläge, die in den beiden Säulen der Beteiligung zunächst unabhängig voneinander entwickelt worden waren, integrierte und weiterentwickelte.
Darauf aufbauend fand zwischen dem 10. Februar 2016 und dem 22. Februar 2016 eine zweite Online-Phase statt. Innerhalb dieser Phase konnten die 472 Teilnehmer des Tags des Bürgerdialogs das erarbeitete „Maßnahmenset“ des Delegiertengremiums mit seinen 97 Maßnahmen beurteilen und die einzelnen Maßnahmen positiv oder negativ bewerten. 150 Bürgerinnen und Bürger machten davon Gebrauch.
Die Abstimmungen und Bewertungen der zweiten Online-Phase gingen in die weitere Arbeit des Delegiertengremiums ein, das bis Mitte März 2016 den endgültigen Maßnahmenkatalog fertigstellte, der schließlich am 19. März 2016 an die Bundesumweltministerin übergeben wurde. Daran schloss sich eine Phase an, in der sich die Ministerialverwaltung, zunächst also das BMUB, anschließend die Ministerien insgesamt bis hin zum Kabinett mit dem Klimaschutzplan 2050 befassten. Das Kabinett verabschiedete den Plan am 14. November 2016.
Ergebnisse
Auch wenn solche Bürgerbeteiligungs-Verfahren Aufwand bedeuten, überwiegen die Vorteile: Politische Maßnahmen werden einem Praxistest unterzogen, ihre Qualität wird erhöht und die Akzeptanz für Verfahren und Ergebnisse gesteigert:
- Es lohnt sich, Bürger und Verbände zugleich zu beteiligen.
- Die Qualität der Bürgerbeiträge ist beachtlich.
- Zufallsauswahl von Bürgern steigert Akzeptanz sowie Vielfalt und empfiehlt sich auch für weitere Prozesse.
- Online-Verfahren sind transparenter.
- Bürgerbeteiligung auf Bundesebene sollte klare Regeln und feste Verfahren haben.
Die Studie zeigt die weiteren zahlreichen Vorteile, Bürger an der Gesetzgebung zu beteiligen.
Weitere Informationen
Weitere Informationen zu einer besseren Verzahnung der vielfältigen Partizipationswege der repräsentativen, direktdemokratischen und dialogorientierten Beteiligung und zu Qualitätsstandards guter Beteiligung sind der Internetseite des Projektes „Vielfältige Demokratie gestalten“ der Bertelsmann Stiftung zu entnehmen:
http://www.bertelsmann-stiftung.de/buergerdialog-klimaschutzplan-2050/
https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/vielfaeltige-demokratie-gestalten
Externe Links
Kontakt
Anna Renkamp
anna.renkamp@bertelsmann-stiftung.de
Dr. Christian Huesmann
christian.huesmann@bertelsmann-stiftung.de
Prof. Dr. Thorsten
Faas thorsten.faas@uni-mainz.de