Die an den Citizens‘ Initiative Review Verfahren angelehnte Burger*innenjury wurde zur Vorbereitung eines Referendums zur Zusammenlegung der Gemeinden Korsholm und der Stadt Vaasa initiiert. 21 Bürger*innen an der Bürger*innenjury erarbeiteten in einer Stellungnahme die zentralen Argumente des Für und Wider. Die Stellungnahme wurde an alle Wahlberechtigte der Stadt Korsholm geschickt.
Ort
Dauer
Hintergrund
Ausgangspunkt für die Einführung der demokratischen Innovation war die jahrzehntelange Kontroverse um die Zusammenlegung der Gemeinden Korsholm und der Stadt Vaasa an der Westküste Finnlands. Im Jahr 2018 entschied man sich schließlich in Korsholm ein Referendum abzuhalten. Im Vorfeld dessen setzte man erstmals in Europa ein Citizens‘ Initiative Review (CIR) Verfahren ein, um eine informierte und fundierte Entscheidungsgrundlage für die Bevölkerung vor der Abstimmung zu schaffen. Die Herausforderung der Bürger*innenjury lag in der Komplexität des Themas und den unterschiedlichen sprachlichen Hintergründen der Bevölkerungen der Gemeinden. Ein kommunaler Zusammenschluss hat vielfältige Auswirkungen auf den Alltag der Bewohner*innen und die lokale Demokratie, da die finnischen Gemeinden autonome politische Einheiten (z.B. Gesundheitswesen oder Bildung) sind.
Ziel
Ziel war es, durch eine Bürger*innenjury ein abgestimmtes und fundiertes Statement für die Wähler*innen der Gemeinde Korsholm zu entwickeln und damit eine verlässliche Debatte vor dem Referendum zu beginnen.
Prozess
Es wurden 1400 zufällig ausgewählte wahlberechtigte Bürger*innen Korsholms eingeladen. 73 Personen meldeten sich auf die Anfrage zurück. Anschließend wählte man 24 Personen aus. Die Auswahl erfolgte so, dass die Jury die Bevölkerung von Korsholm nach soziodemografischen und geographischen Gesichtspunkten (Alter, Geschlecht, Sprache und Wohnort) und Meinungen zur Zusammenlegung der Gemeinden abbildete. Einige der ausgewählten Personen reagierten nicht auf die Einladung oder sagten aus Termingründen ab. Am Ende nahmen 21 Bürger*innen an der Jury teil. Die an den Citizens‘ Initiative Review Verfahren angelehnte Burger*innenjury wurde zur Vorbereitung des Referendums in Korsholm initiiert. Die Gemeinden waren nicht direkt in die Organisation des Jury-Prozesses eingebunden, der durch das PALO-Projekt durchgeführt und finanziert wurde. Vertreter*innen der Kommunen fungierten jedoch als unabhängige Experten in der Bürgerjury. Die Laienjury traf sich an vier Tagen an je zwei Wochenenden: An den ersten beiden Tagen sammelte die Jury Informationen und beriet sich vertiefend über den Zusammenschluss in Kleingruppen. Dabei wurden vier Politiker*innen und sechs wissenschaftliche Expert*innen angehört und zahlreiche weitere Materialien und Informationen gesichtet. Die Informationsphase mit anschließender Fragerunde war öffentlich. Die folgende Arbeit in Kleingruppen nicht. Anschließend bewertete die Jury die Informationen auf der Grundlage, ob die Argumente relevant, zuverlässig und anschlussfähig waren. Am zweiten Wochenende erweiterte die Jury die Argumentation um eigene Ideen und Positionen und diskutierte alle Informationen. Anschließend wurde eine Stellungnahme erarbeitet, die in schwedischer und finnischer Sprache die zentralen Argumente des Für und Wider bei der Entscheidung über die Zusammenlegung der Gemeinden in verständlichen Worten zusammenfasste. Die Erklärung enthielt keine Entscheidungsempfehlung. Das Ergebnis der Beratungsgespräche schickten die Organisatoren an alle 14.800 Wahlberechtigten der Gemeinde Korsholm drei Wochen vor dem Referendumstag im März 2020 per Post.
Ergebnisse
In der Stellungnahme der Jury fasste man die wichtigsten Ergebnisse sowie drei Argumente für und gegen den kommunalen Zusammenschluss zusammen. Laut Umfragen, die im Rahmen des Prozesses durchgeführt wurden, haben mehr als 70 Prozent der Wähler*innen das Statement der Bürger*innenjury gelesen. Basierend auf einem Umfrageexperiment erhöhte das Lesen der Erklärung das Wissen über die Frage des Zusammenschlusses und löste einen Reflexionsprozess bei den Befragten aus. Beim Referendum stimmten 61,3 Prozent gegen und 36,8 Prozent für einen Zusammenschluss mit Vaasa. 2 Prozent enthielten sich. Die Wahlbeteiligung lag bei 76,4 Prozent. Der Stadtrat beschloss daraufhin, den Zusammenschluss nicht durchzuführen. Die Erfahrungen mit dem Citizens‘ Initiative Review Verfahren verdeutlichen das Potenzial solcher Prozesse, kritisches Denken in den Beratungen der Bürger*innen zu fördern. In einem polarisierten und kritischen Gesellschafts- und Meinungsumfeld wie in Korsholm sind verlässliche und fundierte Informationen eine wichtige Ressource für die Wähler*innen, Argumente der Gegenseite nachzuvollziehen.