In der Citizens‘ Assembly befassten sich 99 Bürger*innen und eine Vorsitzende mit strittigen Fragen bzw. Zukunftsthemen:
- der 8. Verfassungszusatzes (Abtreibungsverbot, Rechte ungeborener Kinder/schwangerer Frauen),
- die Herausforderungen einer alternden Bevölkerung und des Klimaschutzes,
- der Ablauf von Referenden und Veränderungsbedarfe und ob feststehenden Wahltermine für Parlamentswahlen braucht.
Ort
Dauer
Hintergrund
Das strenge Abtreibungsverbot war Gegenstand langandauernder Kontroversen in Irland. Politik und Gesellschaft waren zerstritten und eine Lösung nicht in Sicht. Aufgelöst wurde die Blockadesituation durch die Citizens‘ Assembly, die zu fünf zum Teil drängenden Fragen der Gesellschaft Empfehlungen abgab und weitreichende Entscheidungen des Parlaments vorbereitete.
Ziel
Die Citizens‘ Assembly hatte zum Ziel, „einige der wichtigsten Fragen zu prüfen, die die Zukunft Irlands betreffen“, das Parlament zu beraten und Empfehlungen auszuarbeiten.
Prozess
99 zufällig ausgewählte Bürger*innen und eine Vorsitzende nahmen teil. 53 Mitglieder schieden aus privaten Gründen aus und wurden ersetzt. Die Vorsitzende war Richterin am Surpreme Court of Ireland. Die Zusammensetzung spiegelte die irische Gesellschaft hinsichtlich Alter, Geschlecht, geographischer Verteilung und sozialer Lage wider. Die Mitglieder wählten eine Leitungsgruppe (sechs Mitglieder plus Vorsitzende), die zur Kontrolle und Kommunikation des Beteiligungsprozesses in die Gesellschaft beitrug. Sie plante auch die Sitzungen. Unterstützung erhielten die Mitglieder durch ein Beratungsgremium (Expert Advisory Group), bestehend aus Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen. Das Gremium stellte Hintergrundinformationen und Hilfe bei der Auswahl von Expert*innen zur Verfügung. Beteiligungsdienstleister unterstützen bei der Umsetzung der Citizens‘ Assembly, sie moderierten die Plenums- und Kleingruppenarbeit, übernahmen Ergebnisdokumentation und die Übertragung ins Internet sowie Medien- und Öffentlichkeitsarbeit. Informationsphase. Die Mitglieder erhielten fachlichen Input durch Expert*innen und Praktiker*innen zu den Themen.
Die Vorträge übertrug man ins Internet. Bürger*innen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Parteien hatten die Möglichkeit, postalisch oder online Eingaben zu machen, die den Mitgliedern als Dokumente oder Vorträge zur Verfügung gestellt wurden (13.500 Eingaben zur Abtreibungsgesetzgebung, 129 zur alternden Gesellschaft, 1.205 zum Klimawandel, 213 zu Referenden und 9 zum feststehenden Wahltermin). Beratungsphase Die Mitglieder berieten in moderierten Kleingruppen und im Plenum. Die Plenarsitzungen wurden gestreamt. Die Mitglieder vereinbarten sechs Grundprinzipien der Beratung: Offenheit, Fairness, Gleichheit der Stimmen, Effizienz, Respekt und Kollegialität. Die Materialien und Stellungnahmen wurden geprüft, debattiert und daraus Empfehlungen erarbeitet.
Der Zugang für Beobachter*innen war eingeschränkt und u.a. Vertreter*innen von Nichtregierungsorganisationen, religiösen Gruppen, Parteien, Wissenschaftler gestattet. Entscheidungsphase Die Phase dient der Abstimmung der Empfehlungen. Alle diskutierten Fragen lagen der Versammlung zur Abstimmung vor (Mehrheitsentscheidung). Die Ergebnisse fasste man in einem Report zusammen.
Ergebnisse
Dem Parlament legte man vier Reports mit Empfehlungen vor. Das zentrale Ergebnis war, Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Bedingungen zuzulassen und das Verbot aufzuheben. Das Parlament diskutierte die Empfehlungen in einem parteiübergreifenden Ausschuss und in einer Plenarsitzung. Anschließend beschloss man ein Referendum abzuhalten. Die Bevölkerung befürwortete die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen mit 66%.
Die Empfehlungen zur Klimaschutzpolitik legte man ebenfalls dem Parlament vor. In der Folge rief man den Klima- und Biodiversitätsnotstand aus und verabschiedete einen Aktionsplan Klimaschutz.
Zur Alterung: Das Gesundheitsministerium meldete, dass die Vorschläge geprüft aber nicht alle akzeptiert werden. Auf die anderen Empfehlungen gab es bisher keine Antwort der Regierung. Die Citizens‘ Assembly besaß ein ungewöhnlich breites Mandat: fünf wichtige Themen stellte man zur Diskussion. Die vorbildliche Verzahnung zwischen Parlament, Citizens‘ Assembly und Referendum und die weitgehenden Ergebnisse machen es zu einem internationalen Vorbild. Es gelang nicht nur weitreichende demokratische Entscheidungen vorzubereiten, sondern auch gesellschaftliche und parlamentarische Entscheidungsblockaden zu lösen.
Der Erfolg der Citizens‘ Assembly zeigt sich auch in der Entscheidung, eine neue Citizens‘ Assembly zur Gleichstellung der Geschlechter einzurichten, deren Arbeit im Februar 2020 beginnt. Es wird eine auf Dublin ausgerichtete Citizens‘ Assembly folgen, die sich mit der Frage befasst, ob Dublin einen gewählten Bürgermeister haben soll.
Weitere Informationen
Mittlerweile findet eine zweite Irish Citizens‘ Assembly statt. Weitere Informationen finden Sie unter dem folgenden Link: www.citizensassembly.ie/en/