Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Klimapolitik Frankreichs wird immer größer. Der Bürger*innenkonvent (CCC) als direkte Reaktion adressiert daher die Frage: „Wie kann Frankreich bis 2030 (im Vergleich zu 1990) 40 Prozent der Treibhausgasemissionen reduzieren unter Berücksichtigung sozialer Gerechtigkeit?“
Ort
Dauer
Hintergrund
Frankreich ist gesellschaftlich und politisch zerstritten. Die Massenproteste der Gelbwesten-Bewegung gegen die CO2-Besteuerung von Benzin und Diesel im Jahr 2018 machen die Politik handlungsunfähig. Die Herausforderungen des Klimawandels werden immer größer. Als Ergebnis der „Grand Débat National“ 2019 soll der Bürger*innenkonvent Brücken schlagen, friedlich und überzeugende Lösungen entwickeln, die in der Nationalversammlung und der Gesellschaft Einigkeit in der Sache herstellen - die aus sich selbst heraus nicht möglich erscheint. Der Auftrag ist schwierig und besteht darin, weitreichende Maßnahmen zu entwickeln, mit denen möglichst sozial gerecht eine effektive Klimapolitik erreicht wird.
Ziel
Ziel des Bürger*innenkonvent ist es, politische und gesellschaftliche Einigkeit zu schaffen, um die klimapolitischen Ziele des Landes zu erreichen. Konkret werden effektive Maßnahmen vorschlagen, um die Treibhausgasemissionen um 40% bis 2030 zu verringern. Die Maßnahmen sollen insbesondere Fragen der sozialen Gerechtigkeit mit in die Beratungen einbeziehen
Prozess
Es wurden 150 in Frankreich lebende Personen ab 16 Jahren per Losverfahren ausgewählt. Das Losverfahren basiert auf der zufälligen Generierung von Telefonnummern, die angerufen und die ausgewählten Personen befragt wurden. Dabei wurden ihre soziodemographischen Merkmale und Bereitschaft zur Teilnahme ermittelt. Die Auswahlkriterien waren Geschlecht, Alter, Bildungsstand, Ethnie, berufliche Situation und Wohngebiete/Departements. Präsident Macron sicherte zu, dass die Legislativ- und Regulierungsvorschläge „ungefiltert“ ins Parlament zur Abstimmung gehen oder aber dem Volk per Referendum vorgelegt werden.
Die CCC arbeitet in fünf Arbeitsgruppen mit jeweils dreißig Teilnehmenden. Die Gruppen behandeln die Themen: Wohnen, Konsum, Lebensmittelversorgung, Arbeit, Produktion und Mobilität. Die moderierten Arbeitsgruppen treffen sich über ein halbes Jahr sechs Mal zu jeweils 2 bis 3 Tagen. Eigens für den Konvent ließ der Präsidenten ein Regierungskomitee bilden, um die Teilnehmenden umfänglich mit Informationen zu versorgen, die Arbeit zu begleiten und die Unabhängigkeit der Beratungen zu sichern. Das Regierungskomitee besteht aus zwei Co-Präsident*innen, einem/r obersten Berichterstatter*in, drei Klimaexpert*innen, drei Expert*innen für partizipative Demokratie, vier Expert*innen aus der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Bereich und weiteren Delegierten anderer Institutionen wie dem Wirtschafts- und Sozialrat, der Nationalversammlung und des Senats. Diese Expert*innen und Praktiker*innen beraten während des Bürgerkonvents die Teilnehmenden. Diese können auch eigene Vorschläge zu weiteren Expert*innen machen. Bereits vor dem Konvent erhielten die Bürger*innen zudem umfangreiches Informationsmaterial zu den Grundlagen des menschengemachten Klimawandels und der Klimapolitik.
Ergebnisse
Der Bürger*innenkonvent ist in einem schwierigen und kritischen politischen Umfeld platziert. Aktuelle Massenproteste und Generalstreiks zur Rentenreform weisen weiterhin ein großes Misstrauen gegenüber der Regierung aus. Es bleibt abzuwarten, wie die Reaktionen auf die Vorschläge des Konvents sein werden und ob auch hier der Funke des Protests überspringt.
Ob und inwieweit die höchst aufwendige Beteiligungsverfahren für Befriedigung und Einigkeit in der Sache sorgen kann, ist offen. Prozedural wird großer Aufwand betrieben, die Legitimität, Transparenz und Unabhängigkeit des Verfahrens zu sichern. Probleme bei der Telefonauswahl und der an Wochenenden verpflichtenden Teilnahme zeigten, dass insbesondere die Gruppe der Landwirte schwierig zu gewinnen sind.
Der Bürger*innenkonvent arbeitete 149 Vorschläge für die Gesetzgebung in einem Bericht an den Präsidenten aus. Der Konvent gibt dabei Empfehlungen, über welche Maßnahmen per Referendum oder durch das Parlament entschieden werden soll.
Kontakt
Antoine Vergne antoine.vergne@missionspubliques.com