Die erste Bürger*innenversammlung Großbritanniens schlug der Regierung fundierte Empfehlungen zur Finanzierung der Sozialhilfen in Zeiten demographischen Wandels vor. Für eine wichtige und lange kontrovers diskutierte Frage fand man gemeinsam getragene Lösungsvorschläge.
Dauer
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Hintergrund
Die Citizens‘ Assembly on Social Care war die erste vom britischen Parlament berufene Bürger*innenversammlung auf der nationalen Ebene. Die Regierung, vertreten durch Parlamentsausschüsse, suchte Lösungen für die langfristige Absicherung und Finanzierung der Sozialhilfe. Die lange kontrovers geführte, gesellschaftspolitische Debatte blieb lange ohne politische Lösungen. Die Meinungen im Königreich sind gespalten zwischen Vertreter*innen eines ausgebauten Sozialstaates und eines schlanken („limited“) Staates.
Ziel
Ziel war es, die begründete und abgewogene Meinung der Bürger*innen zur Frage der zukünftigen Finanzierung der Sozialhilfe einzuholen, um gemeinsam getragene Lösungen für ein drängendes Problem des Landes zu finden.
Prozess
Die Citizens` Assembly fand an zwei Wochenenden statt und verlief in drei Phasen. Die Beratungen erfolgten in moderierten Kleingruppen und im Plenum. Die Teilnehmenden unterstützte ein Beratungsgremium aus Expert*innen. In der ersten Phase, der Lernphase, wurden verschiedene Vorträge gehalten. Zu Wort kamen Expert*innen über private und staatliche Finanzierungsmodelle der Sozialhilfe, Personen über persönliche Erfahrungen mit dem Sozialhilfesystem und Organisationen aus dem Sozialbereich. Darüber hinaus wurden weitergehende Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt. In der zweiten Phase, der Deliberationsphase, wurde über Werte und Prinzipien der Sozialhilfe beraten, Pro- und Contra-Argumente für verschiedene öffentliche oder privat-finanzierte Modelle gesammelt und Schlüsselbotschaften für die Parlamentsausschüsse ausgearbeitet. In der dritten Phase, der Entscheidungsphase, stimmten die Bürger*innen über die Vorschläge und Optionen zur Finanzierung ab.
Ergebnisse
Die elf verabschiedeten Empfehlungen der Bürger*innen flossen in die Arbeit der Parlamentsausschüsse ein und fanden sich im Green Paper „On the funding of social care for older people“ wider. Die Zufriedenheit mit dem Beteiligungsprozess war laut Teilnehmendenbefragung sehr hoch. Das Format der Citizens‘ Assembly ist in der öffentlichen Debatte angekommen und wird als Möglichkeit verstanden, langanhaltende politische und gesellschaftliche Konflikte konstruktiv zu bearbeiten. Die Ergebnisse markieren einen Durchbruch bei „Großbritanniens heikelstem politischen Problem“ (The Telegraph) des letzten Jahrzehnts und beflügelte eine konstruktive, öffentliche Debatte über die Ergebnisse. Das britische Parlament hat durch diese Initiative wichtige Erfahrungen mit diesem Format gesammelt. Die CA gilt als Vorbild für weitere Citizens‘ Assemblys.
Kontakt
Tim Hughes (Involve) tim@involve.org.uk