Unter dem Motto „2020: Europas Zukunft gemeinsam gestalten“ luden die Bertelsmann Stiftung und das Auswärtige Amt am 1. und 2. März 2020 Bürger*innen, Politiker*innen und Expert*innen zu einer gemeinsamen Veranstaltung ein. In einer Europawerkstatt entwickelten 75 Bürger*innen aus Polen, Frankreich und Deutschland über zwei Tage hinweg Ideen und konkrete Vorschläge für Europas Zukunft. Anschließend diskutierten sie die Ergebnisse dieser Arbeit in der Europakonferenz mit Bundesaußenminister Heiko Maas und seiner bulgarischen Kollegin Ekaterina Zaharieva.
Ort
Dauer
Videos (Youtube/Vimeo)
Hintergrund
Erstmalig wurde in Berlin ein grenzüberschreitender Bürgerdialog mit Bürger*innen aus Frankreich, Polen und Deutschland durchgeführt. Unter dem Motto „2020: Europas Zukunft gemeinsam gestalten“ luden die Bertelsmann Stiftung und das Auswärtige Amt zu einer gemeinsamen Veranstaltung, der Europawerkstatt, ein. Dabei standen drei Innovationen im Vordergrund: die Auswahl der Bürger*innen erfolgte nach dem Zufallsprinzip, so dass die Teilnehmenden ein breites Spektrum an Meinungen widerspiegeln. Durch ein neues Dolmetsch-Verfahren des Simultandolmetschens in kleinen Tischgruppen konnten sich die Teilnehmenden in der eigenen Muttersprache verständigen. Durch die Einbeziehung von Experte*innen wurden die Bürger*innen bei der Erarbeitung von Bürgervorschlägen unterstützt.
Ziel
Ziel der Europawerkstatt war es, EU-Bürger*innen aus den drei Ländern mit sehr unterschiedlichen sozioökonomischen Hintergründen zusammenzubringen und sowohl einen direkten Austausch zwischen den EU-Bürger*innen zu ermöglichen, als auch den direkten Dialog mit der Politik zu stärken. Bürger*innen können dadurch politische Impulse zur Zukunft Europas, auf die sie sich gemeinsam verständigt haben, direkt an politische Entscheider*innen kommunizieren und mit ihnen diskutieren. Politiker*innen erfahren direkt aus erster Hand, was den Bürger*innen wirklich wichtig ist.
Prozess
In der Europawerkstatt wurde das Thema „2020: Europas Zukunft gemeinsam gestalten“ von den Bürger*innen in vier Themenfeldern bearbeitet:
- Zusammenhalt: Brauchen wir mehr Solidarität in Europa?
- ·Werte und Demokratie: Wie kann das Wertefundament gestärkt werden?
- ·Globalisierung: Wie kann die Rolle Europas in der Welt gestaltet werden?
- ·Fortschritt: Wie kann Europa nachhaltiger werden?
Der Diskussionsprozess im World-Café wurde in folgende Arbeitsphasen aufgeteilt:
1) Thematischer Einstieg durch ein Brainstorming zu den vier Themenfeldern, 2) Erfahrungsaustausch, Information zu einem Themenfeld, Ideensammlung, 3) Priorisierung von Ideen und Konkretisierung von Vorschlägen, 4) Vorbereitung der Diskussion mit den Politiker*innen.
Die Bürger*innen verteilten sich auf acht Tische, d. h. jeweils zwei Tische befassten sich mit demselben Thema. Die Tische wurden gemischt zusammengesetzt. An einem Tisch arbeiteten insgesamt neun bzw. zehn Bürger*innen, jeweils drei Bürger*innen aus Polen, Frankreich und Deutschland. Zusätzlich hatte jeder Tisch eine/n Tischmoderator*in, zwei Simultandolmetscher*innen sowie eine/n Themenexpert*in. Die Themenexpert*innen unterstützten die Diskussion mit Informationen, ordneten Dinge ein und gaben Feedback – aber sie sollten die Diskussion in keine bestimmte Richtung lenken. Insgesamt wurden acht Vorschläge erarbeitet, jeweils zwei Vorschläge zu einem Themenfeld.
Auf die Europawerkstatt folgte eine Publikumsveranstaltung mit rund 400 Gästen aus Politik, Wissenschaft und Diplomatischem Korps. Acht Tischsprecher*innen stellten die Ergebnisse ihrer Arbeit Bundesaußenminister Heiko Maas und der Außenministerin der Republik Bulgarien Ekaterina Zaharieva vor. Heiko Maas nahm die Impulse aus der Europawerkstatt für die im Juli beginnende deutsche Ratspräsidentschaft mit.
Ergebnisse
Für die Bürger*innen war die Europawerkstatt ein großer Gewinn. Der grenzüberschreitende Charakter war das besondere Highlight, da der Austausch mit anderen Europäern den Teilnehmenden neue Perspektiven aufgezeigt und zu intensiven Diskussionen geführt hat. Ein Großteil der Bürger*innen stellten darüber hinaus den Außenminister*innen bezüglich ihrer Bereitschaft zuzuhören ein positives Zeugnis aus. Fünf Lehren können aus der Europawerkstatt gezogen werden:
- Für europäische Themen braucht es auch grenzüberschreitende Bürgerdialoge
- Eine klare Strukturierung der Diskussion ist das A und O
- Eine hohe inhaltliche Qualität der Diskussionen speist sich aus der Vielfalt der Bürger*innen
- Qualität hat ihren Preis: Es braucht partizipatives Know-how und Ressourcen
- Am Anfang bereits das Ende mitdenken: Die Bürgerempfehlungen in politische Entscheidungsprozesse einbinden.
Inhaltlich erarbeiteten die Bürger*innen mehrere Vorschläge zu den vier Diskussionsthemen:
- Mehr Transparenz und Bürgernähe sind zwei zentrale Punkte, die bei den Diskussionen zum Thema Werte und Demokratie von den Bürger*innen gefordert wurden. Zusätzlich wünschen sie sich eine Ausweitung der Partizipationsmöglichkeiten und den vermehrten Schutz von Minderheiten.
- Für den Zusammenhalt in Europa ist aus Sicht der Bürger*innen die Entwicklung einer europäischen Identität wichtig, um den Zusammenhalt und eine echte Solidarität mit Bürger*innen anderer Länder zu stärken. Zusätzlich diskutierten die Bürger*innen über Herausforderungen der Sozialpolitik, wie etwa Altersarmut oder Fachkräftemangel.
- Beim Thema Europa in der Welt stellten die Bürger*innen heraus, dass für viele Probleme in der Welt der Ursprung in der Ungleichheit liegt. Die Bürger*innen betrachten es als Aufgabe der EU, die Handelspolitik fair zu gestalten, um Folgen von ungleicher Verteilung – wie Flucht und Migration – zu vermeiden. Die EU muss von innen gestärkt werden, um nach außen stark sein zu können.
- Eine europäische Nachhaltigkeitspolitik kann laut den Bürger*innen nur gelingen, wenn sie sozial und fair gestaltet ist. Als Maßnahmen schlagen die Bürger*innen vor, grüne Unternehmen und Innovationen zu fördern, Arbeitnehmer zu unterstützen und Verschwendung zu vermeiden.
Weitere Informationen
Weitere Informationen zu dialogischen Verfahren, innovativen Methoden und Praxisbeispielen zu Beteiligungsformaten auf europäischer Ebene finden Sie auf der Internetseite des Projektes „Demokratie und Partizipation in Europa“ der Bertelsmann Stiftung:
www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/demokratie-und-partizipation-in-europa/