Das Parlament von British Columbia/Kanada rief 2004 eine Bürgerversammlung ins Leben, deren Aufgabe es war, sich über ein Jahr hinweg mit dem geltenden Wahlsystem zu beschäftigen und zu prüfen, ob und welche Änderung vorgeschlagen werden sollte. Nach einer umfangreichen Informations- und Beratungsphase sprach die repräsentativ zusammengesetzte Versammlung eine Empfehlung aus, über die in einer provinzweiten Abstimmung entschieden wurde.
Ort
Dauer
Hintergrund
Die Bürgerversammlung entstand aufgrund einer wachsenden Unzufriedenheit der Bevölkerung British Columbias mit dem geltenden Wahlrecht. In dem Mehrheitswahlrecht wird jeder Bezirk von dem Delegierten im Parlament vertreten, auf den die meisten Stimmen entfallen. Das führt dazu, dass die Sitzverteilung im Parlament nicht proportional ist. Als die Unzufriedenheit in der Bevölkerung nach den Wahlen 1996 und 2001 immer größer wurde, versprach der Oppositionsführer, etwas gegen dieses Problem zu unternehmen, sollte er an die Macht kommen. 2004 rief er die Bürgerversammlung ein.
Ziel
Die Bürgerversammlung hatte die Aufgabe, sich über einen Zeitraum von einem Jahr mit dem geltenden Wahlsystem zu beschäftigen und darauf basierend einen Vorschlag zu machen, ob, und wenn ja, welches neue Wahlsystem stattdessen eingeführt werden sollte.
Prozess
Die Mitglieder der Bürgerversammlung wurden zufällig und repräsentativ ausgewählt (nach Wohnort, Alter und Geschlecht). Im Zentrum ihrer einjährigen Arbeit stand die Frage: „Soll British Columbia ein neues Wahlrecht erhalten und wenn ja, welches?“ Während der gesamten Zeit wurden die Mitglieder von einem Team unterstützt, das die Treffen organisierte, die Lernphase vorbereitete und sich um alles Weitere kümmerte. Für den gesamten Prozess stand ein Budget von ca. 4 Millionen Euro zur Verfügung.
Die Arbeit der Bürgerversammlung verlief in drei Phasen:
In der Lernphase setzten sich die Mitglieder mit verschiedenen Wahlsystemen, deren Grundlagen und Vor- und Nachteilen, auseinander. Insgesamt trafen sie sich an sechs Wochenenden. Sie hörten sich Vorträge von Experten an, lernten gemeinsam in Arbeitsgruppen und tauschten sich untereinander aus und debattierten über die verschiedenen Optionen. In der Anhörungsphase trafen sich die Mitglieder der Bürgerversammlung mit Bürgerinnen und Bürgern in ihren Heimat-Wahlbezirken. Bei den Treffen informierten sie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Arbeit der Bürgerversammlung und gaben ihnen die Gelegenheit, ihre Meinungen in den Prozess einzubringen. Im Anschluss an diese beiden Phasen folgte die Deliberationsphase. Die Bürgerversammlung trat zusammen, um zu einer abschließenden Empfehlung zu kommen. Sie empfahl schließlich die Einführung eines neuen Wahlsystems, das Werte wie Proportionalität, lokale Repräsentation und Auswahl stärker berücksichtigt.
Die finale Entscheidung über die Änderung des Wahlsystems lag bei der wahlberechtigten Bevölkerung British Columbias. Diese musste einer Änderung mit mindestens 60 Prozent zustimmen, wobei zusätzlich mindestens 48 der 79 Wahlkreise zustimmen mussten.
Ergebnisse
Die Mitglieder der Bürgerversammlung sprachen sich 2005 dafür aus, ein neues Wahlsystem einzuführen. Diese Empfehlung scheiterte schließlich in der provinzweiten Abstimmung der Bürger British Columbias, in der das notwendige Quorum von 60 Prozent um wenige Prozentpunkte verfehlt wurde. Von den 79 Wahlbezirken stimmten 77 einer Änderung zu. Auch in einer zweiten Abstimmung 2009 stimmten die Bürgerinnen und Bürger erneut gegen das alternative Wahlsystem.
Trotz dieses Ergebnisses kann die Bürgerversammlung als Erfolg gewertet werden. Die Bürgerinnen und Bürger arbeiteten sich innerhalb eines Jahres intensiv in ein komplexes Themengebiet ein und trafen eine adäquate Entscheidung, die von anderen Bürgerinnen und Bürgern als legitim angesehen wurde. Während des Prozesses entwickelten sie sich – auch langfristig - zu engagierten und aktiven Bürgern.